Kommende Legislatur für Klimaschutz nutzen! "Wählerinnen und Wähler haben die Macht, die Zukunft in Thüringen mitzubestimmen"
Thüringen ist stark vom Klimawandel betroffen, was sich bereits in extremen Wetter- und Witterungsereignissen und steigenden Temperaturen zeigt. Um die Auswirkungen zu mindern, sind ambitionierte Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Thüringen ist dafür gut aufgestellt, mit seiner vielfältigen Forschungslandschaft und seiner innovationsfreudigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, die den Weg zur Klimaneutralität erleichtern. Der Klimarat fordert eine konsequente Umsetzung und Verschärfung der klimapolitischen Ziele, um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Die kommende Wahlperiode ist entscheidend für die Zukunft Thüringens.
Jena und Erfurt, den 20.8.2024
Appell des Thüringer Klimarates zur Landtagswahl am 1.9.2024
Der Thüringer Klimarat appelliert an die Wählerinnen und Wähler, Klimaschutz zu einem zentralen Kriterium ihrer Wahlentscheidung zu machen:
Informieren Sie sich über Strategien und Pläne der Parteien und bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung die Dringlichkeit von Klimaschutz und Klimaanpassung. Denn Thüringen kann ohne Einbußen des Lebensstandards durch den Ausbau erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in allen Sektoren einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Klimas und unserer regionalen Lebensräume sowie zur guten Entwicklung unserer Wirtschaft und zum Wohlergehen unserer Gesellschaft leisten.
Wie sieht es um die Klimawandelbetroffenheit Thüringens aus?
Thüringen ist eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen Deutschlands. Die Auswirkungen dieses Klimawandels gefährden unsere Gesundheit, den Wohlstand und die Sicherheit in Thüringen. Aber: Wenn wir entschlossen handeln, können wir die Auswirkungen des Klimawandels noch eindämmen.
Extreme Hitze, Starkregen, Hagelstürme, ausgedehnte Dürren, Wasserknappheit, Waldbrände, Überschwemmungen, Schlammströme, Hangrutschungen, Ernteausfälle: Die Folgen des menschgemachten Klimawandels zeigen sich auch und insbesondere in Thüringen. Ambitionierter Klimaschutz und effektive Anpassungsmaßnahmen sind erforderlich, damit sich die Situation nicht verschlechtert. Ein einzelnes regenreiches Jahr wie 2024 ändert daran leider wenig.
Der Klimawandel führt in Thüringen schon heute im Mittel (gemessen bis inklusive 2023) zu einer Temperaturerhöhung von 1,7°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau (Quelle: Kompetenzzentrum Klima, TLUBN). Thüringen zählt damit zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen in Deutschland. Eine der vielen Konsequenzen dieses Temperaturanstiegs ist die Zunahme der extrem heißen Tage über 35°C (TX35GE-Tage, zuweilen auch "Wüstentage" genannt). In Jena zum Beispiel haben sich die extrem heißen Tage mehr als vervierfacht, in Meiningen gab es in der aktuellen Klimaperiode erstmals überhaupt diese extrem heißen Tage seit der systematischen Wetteraufzeichnung. Extreme und andauernde Hitze führen zu lebensbedrohenden Situationen und belasten unsere Wirtschaftssysteme, die Energiesysteme und die Ausfallsicherheit sensibler Infrastrukturen.
Klimaforscherinnen und Klimaforscher betonen daher die Dringlichkeit eines ambitionierten Klimaschutzes, aber auch die Anpassung an die bereits eingetretenen Folgen des Klimawandels. Thüringen kann als Land der Innovation entscheidende Weichen stellen. Wählerinnen und Wähler haben die Macht und die Verantwortung, die Zukunft in Thüringen mitzubestimmen.
Welche Klimapolitik ist in Thüringen notwendig?
Die Landespolitik spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Thüringen, weil sie einen direkten Einfluss auf die Bereiche Bildung, Energie, Verkehr, Landnutzung und Industrie - und somit auf das Wohlergehen der Bevölkerung - hat.
Die Landesregierung in Thüringen kann auf fundierte Erkenntnisse darüber zurückgreifen, welche konkreten Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung wirtschaftlich ratsam sind und sozial ausgewogen wirken können.
Thüringen hat den enormen Vorteil, über eine wettbewerbsfähige und innovationsfreudige Wirtschaft und Forschung zu verfügen. Dabei besitzt Thüringen keine eigenen fossilen Energiequellen, zeichnet sich aber zusammen mit Sachsen durch die höchste Sonneneinstrahlung in Ostdeutschland aus, die für Photovoltaik genutzt werden kann. In Zeiten des Klimawandels sind das strukturelle Vorteile für Thüringen, die es weiter auszubauen gilt: Der Weg zur Klimaneutralität ist in Thüringen einfacher und schneller zu bewältigen als in anderen Regionen, und die wirtschaftlichen Perspektiven der thüringischen Wirtschaft sind damit besser als anderswo. Dieser Standortvorteil lässt sich durch finanzielle und strukturelle Innovationsanreize für Klimaschutz- und Klimaanpassungsprodukte und -technologien „Made in Thüringen“ weiter stärken. Thüringen kann und sollte daher seine klimapolitischen Ambitionen nochmals verstärken.
Wo steht Thüringens Klimapolitik aktuell?
Thüringen hat in den letzten 10 Jahren schon viel für den Klimaschutz erreicht und verfügt über gute wissenschaftliche und technische Voraussetzungen sowie gesetzliche und wirtschaftliche Bedingungen für einen ambitionierten Klimaschutz und die notwendigen Anpassungsmaßnahmen, auf die nun aufgebaut werden kann.
Erfolgsversprechend sind beispielsweise das Thüringer Klimagesetz vom Dezember 2018 sowie die Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie (IEKS) und das Klimaanpassungsprogramm IMPAKT II, beide aus dem Oktober 2019. Die Grundlagen sind also gelegt, damit wir bis 2045 das Ziel der Klimaneutralität in Thüringen erreichen. Der Klimarat und seine Mitglieder unterstützen aktiv und begleiten konstruktiv diese Anstrengungen durch Empfehlungen, Stellungnahmen, Kommentierungen, Gutachten und Forschungen.
Doch sind die bisher umgesetzten Maßnahmen nicht ausreichend, um uns vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels hinreichend zu schützen. Eine Konkretisierung der klimapolitischen Ziele, die Novellierung des Thüringer Klimagesetzes und eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Maßnahmen sind erforderlich, unterstützt durch weitere finanzielle und gesetzliche Rahmensetzungen auf Landesebene.
Es ist jetzt mehr als an der Zeit, diese Programme konsequent fortzusetzen und beschleunigt in konkretes Handeln und konsequente Maßnahmen zu übersetzen.
Die kommende Legislaturperiode ist entscheidend für den Klimaschutz. Darum gilt es, alle wissenschaftlich geprüften Maßnahmen des Klimaschutzes – Einsparung, Effizienz und erneuerbare Energien – schnell und umfassend zu nutzen.
Zu den wichtigsten Aufgaben zählen der konsequente Ausbau von erneuerbaren Energien, die Stärkung der Widerstandsfähigkeit unserer Wälder, die Sicherung der Bodenfruchtbarkeit, die Steigerung der Energieeffizienz sowie die Reduzierung des Energieverbrauchs beispielsweise durch die beschleunigte Sanierung des Gebäudebestands.
Durch wissensbasierte Beratung in der Land- und Forstwirtschaft und die Umsetzung einer klimaoptimierten Landbewirtschaftung können deren Treibhausgasemissionen deutlich verringert und die drohende Wasserknappheit zumindest gemildert werden. Dabei werden Klimaschutz und die Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft gemeinsam betrachtet. Im Ergebnis stabilisieren und verbessern sich die natürlichen (Wasser-)Kreisläufe, das Grundwasser, die Kühlung durch die Landschaft, aber auch deren Beitrag zum Klimaschutz wird verstärkt.
Auch die Entsiegelung und Begrünung der Innenstädte ist für die Anpassung an den Klimawandel und die damit verbundene Zunahme von Extremwetterereignissen entscheidend für lebenswerte und klimatisch angenehme Wohn- und Stadträume.
Wesentlich ist die Fortschreibung und Umsetzung konkreter Maßnahmen mit dem Ziel, bereits bis 2045 vollständige Klimaneutralität zu erreichen – als konsequente Weiterentwicklung der im Thüringer Klimagesetz gesetzlich verankerten Zielsetzung einer bilanziell vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Energien bis 2040.
Dabei ist die Umsetzung durch ein zielorientiertes und kontinuierliches Monitoring zu überwachen, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu prüfen und bei Zielverfehlung eine Anpassung zu ermöglichen.
Der Thüringer Klimarat empfiehlt darüber hinaus, das Thüringer Klimaschutzziel für 2030 auf 80 Prozent gegenüber 1990 nachzuschärfen und verbindlich zu machen. Damit würde Thüringen auch dem vom Weltklimarat für nötig befundenen Umstand Rechnung tragen, dass Industrieregionen schneller vorangehen sollten, um auf globaler Ebene Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Wie können Sie die Klimapolitik der Parteien vergleichen?
Die Parteien mit ihren Vertreterinnen und Vertretern in der kommenden Legislaturperiode des Thüringer Landtags tragen die Verantwortung dafür, dass Anstrengungen und Bemühungen für ein klimaneutrales Thüringen im Jahr 2045 verstärkt werden. Die klimapolitischen Programme der Parteien sollten entsprechende robuste Maßnahmen enthalten.
Die Wahlprogramme der Parteien enthalten Informationen über die Positionen der Partei zum Klimawandel sowie deren Strategien und Pläne zum Klimaschutz, zur Abschwächung und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
Auch der Auftritt der Parteien im Internet oder in den Sozialen Medien gibt einen Einblick in deren klimapolitisches Programm. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl unabhängiger Quellen und Plattformen, die über die klimapolitischen Ziele der Parteien informieren, teilweise auch vergleichend. Ebenso enthält der Wahl-o-mat (https://www.wahl-o-mat.de/thueringen2024/Externer Link), der Sie inhaltlich bei der Wahlentscheidung unterstützen kann, eine Reihe von klimapolitischen Themen.
In einem Eckpunktepapier formuliert der Thüringer Klimarat wissenschaftlich begründete Kriterien und sektorbezogene Maßnahmen, an denen sich die klimapolitischen Ziele der Parteien, die zur Landtagswahl antreten, messen lassen.
Der vollständige Text des Klima-Apells als PDFpdf, 242 kb
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